Am 23. Februar 1945 wurde die Stadt Pforzheim von den verheerenden Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs erschüttert. An diesem tragischen Tag wurde die Stadt bombardiert, innerhalb von 20 Minuten glich sie einem brennenden Trümmerfeld. 79 Jahre später, am gleichen Datum, setzte das Kulturhaus Osterfeld ein Zeichen, indem es „Annes Kampf“ veranstaltete. Die Wahl des 23. Februars für diese Veranstaltung ist kein Zufall. Sie ist eine bewusste Entscheidung, die Geschichte zu beleuchten und die Erinnerung an die Ursachen der Zerstörung von Pforzheim wachzuhalten. Die Veranstaltung fand zweimal statt, zunächst am Vormittag vor Schüler*innen und am Nachmittag vor einem breiten Theaterpublikum.
Die schauspielerische Leistung von Marianne Blum und Thomas Linke vermittelt nicht nur die Tragödie der Vergangenheit, sondern regt auch zum Nachdenken über aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen an; es ist ein eindringlicher Appell zur kritischen Reflexion unserer Vergangenheit und ihrer Auswirkungen auf die Gegenwart. Die Aufführung schafft eine Brücke zwischen den Lebensgeschichten zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Die Presse hat die Bedeutung dieser Veranstaltung erkannt und die Schlagzeilen sprechen für sich. Die Pforzheimer Zeitung titelte: „Nachhaltiger als viele Schulstunden“. Dies unterstreicht die Effektivität von „Annes Kampf“ im Bildungsbereich. Der Pforzheimer Kurier zitierte eine Schülerin des Hilda-Gymnasiums: „Es macht mir Angst, das darf sich nicht wiederholen.“ Solche Reaktionen zeigen die emotionale und pädagogische Wirkung dieser besonderen Veranstaltung.
Leider versucht die Neue Rechte, die Geschichte zu instrumentalisieren und Jahrestage der Bombardierung mit Fackelmärschen zu begehen. Doch „Annes Kampf“ steht als kraftvolles Gegengewicht gegen diese Versuche der Geschichtsverfälschung. Durch authentische Darbietungen und klare Botschaften können wir gemeinsam dafür sorgen, dass die Erinnerung an die Opfer bewahrt wird und die Lehren aus der Geschichte nicht vergessen werden.
Die Aufführung von „Annes Kampf“ am 79. Jahrestag der Bombardierung von Pforzheim war mehr als eine Theaterveranstaltung – sie war ein kulturelles Ereignis, das die Vergangenheit beleuchtet, die Gegenwart reflektiert und die Weichen für eine aufgeklärte Zukunft stellt. Es bleibt zu hoffen, dass solche Initiativen weiterhin Menschen zusammenbringen, um gemeinsam gegen Geschichtsverfälschung und für eine Welt der Vielfalt und der Toleranz einzustehen.
Als ein Mensch mit migrantischen Wurzeln, als ein Doppelstaatsangehöriger, als jemand mit Ausgrenzungserfahrung schreibe ich diesen Beitrag. Die Correktiv-Recherche über das Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam hat Menschen wie mich nicht wirklich überrascht. Wer in diesem Land mit migrantischen Wurzeln aufgewachsen ist, ist überrascht, dass es die Zivilgesellschaft überrascht hat. Große Teile der Gesellschaft haben ein geschlossenes rassistisches Weltbild und jeder, wirklich jeder, der in dieser Gesellschaft mit migrantischen Wurzeln aufwächst, erlebt rassistische Übergriffe.
Mit „Annes Kampf“ – unserem Bühnenstück gegen Rassismus und Antisemitismus – haben wir überall in der Bundesrepublik sehr engagierte Menschen kennengelernt. Einige von ihnen leben in gefestigten Meinungsräumen, in denen Rassisten unwidersprochen ihre Ansichten kundtun. Mitten in diesen gefestigten Meinungsräumen werden Menschen bedroht und sind dem blanken Hass ausgesetzt – Menschen, die sich dagegenstellen. Immer wieder lernen wir mutige Persönlichkeiten kennen, die „Annes Kampf“ in solchen Regionen veranstalten.
Um das Problem zu visualisieren, veröffentliche ich hier eine Deutschlandkarte, in der jede der 11.000 deutschen Gemeinden mit einem Punkt dargestellt wird. Damit die Punkte gleich groß sind, ist diese Karte verzerrt – und ein Teil vergrößert – dargestellt. Es geht bei dieser Karte um das Wahlverhalten. Gemeinden, die damals überdurchschnittlich NSDAP gewählt haben und heute überdurchschnittlich AFD wählen, sind farblich mit einem tiefen Magenta markiert. Gemeinden mit durchschnittlichem Wahlverhalten bezüglich der NSDAP und AFD – blassen Magenta. Gemeinden, in denen weder die NSDAP noch die AFD erfolgreich waren, beziehungsweise sind, haben eine hellblaue Farbe. Diese Grafik ist Teil einer Studie des Historikers Davide Cantoni.
Diese Karte zeigt die unglaublich verfestigten Meinungsräume, besonders in den neuen Bundesländern. Hier wachsen Menschen in Strukturen auf, die wirklich glauben, dass rassistische Ansichten mehrheitsfähig sind und oft der falschen Annahme verfallen, dass sie das Volk sind. Wenn diese Menschen erkennen – und das tun sie gerade, dass dem nicht so ist, dann folgt daraus eine Trotzreaktion, die die Basis der AFD weiter in den Extremismus treibt und das wiederum wird es der AFD unmöglich machen, ihr bürgerliches Gesicht zu wahren. Es wird immer erkennbarer, was die AFD ist, nämlich der parlamentarische Arm von Faschisten.
Die letzten Wochen haben gezeigt, dass der Faschismus über eine gesellschaftliche Wahrnehmungsschwelle gestoßen ist. Es entwickelt sich ein großes Bündnis gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Dieses Bündnis besteht aus den unterschiedlichsten Akteuren. Die Akteure versammeln sich alle hinter einem Thema – dem Kampf gegen den Faschismus. Sollte dies gelingen, wird es eine große Dynamik entfachen; im Zuge dieser Dynamik werden dann alle Instrumente, die uns gegen den Faschismus zur Verfügung stehen, in die Hand genommen werden – denn Faschismus darf nicht mehr wählbar sein!
Am Holocaust-Gedenktag hat unser Bühnenprogramm gegen Rassismus und Antisemitismus „ANNES KAMPF Anne Frank vs. Adolf Hitler“ erneut seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Am Vormittag erlebten mehrere Schulklassen von zwei Schulen mit insgesamt 150 Schülern an der Vormittagsvorstellung in der Messe Idar-Oberstein, wie die kruden, hasserfüllten Ideen Adolf Hitlers auf ihre Folgen trafen, die ein unschuldiger Teenager, Anne Frank, ausbaden musste. Über zwei Jahre musste sie und ihre Familie sich vor den Nazis verstecken und wurde schließlich doch ermordet, „und das alles nur, weil sie Juden sind“, wie Anne selbst in ihrem später berühmt gewordenen Tagebuch feststellt.
Am Abend spielten Marianne Blum und Thomas Linke das Stück am selben Ort in einer öffentlichen Vorstellung vor 250 Zuschauern. Im Anschluss stellten sich die Künstler der Diskussion, die es wahrlich in sich hatte. Es wurde von der Sprachlosigkeit in manchen Familien über die NS-Zeit berichtet, von Vätern, die bis an ihr Lebensende Anhänger der nationalsozialistischen Zeit blieben und jeder Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen waren, aber auch von Großvätern, die die Gräuel gesehen hatten und verändert aus dem Krieg zurückkamen und auch von solchen, die Opfer geworden waren. Was sie alle eint: Sprachlosigkeit. „Es wurde nicht darüber geredet“, berichtete ein Nachfahre eines Täters, von dem er bis heute nicht genau weiß, was er getan hat.
Man spürte, dass die Künstler durch ihre Darbietung bei etlichen Zuschauern Türen geöffnet haben, hinter denen bisher Unausgesprochenes verborgen gewesen war. Man spürte auch, wie gut es den Menschen tat, die sich auf diese Weise öffentlich mitteilten, Ihre Gedanken und auch ihre Last dadurch mit anderen zu teilen und so erträglicher zu machen. Man beginnt zu verstehen, welche Hypothek es ist, Kind in einer solchen Familie aufzuwachsen, aber auch wie wichtig es ist, diese Nachfahren mit dieser Hypothek nicht alleine zu lassen. Nach der ersten Wortmeldung eines Mannes, der seine Ergriffenheit in Worte fasste und dann seine Geschichte erzählte, folgten weitere und das einmal zugelassene Bedürfnis endlich zu sprechen wollte kaum enden.
Solche Gespräche, in denen man merkt, dass das Unausgesprochene artikuliert wird und die Erleichterung der Menschen, die diese Hürde nehmen, mit Händen zu greifen ist, finden nach diesem Stück immer wieder statt.
Dennoch war Idar-Oberstein etwas Besonders, sei es, weil so viele Zuschauer aus der Region gekommen waren und auch der Oberbürgermeister, Frank Frühauf, durch seine Anwesenheit unterstrich, dass man die Wichtigkeit des Themas, seine Aktualität und seine Relevanz für das heutige Leben verstanden hat, sei es durch die Tatsache, dass Annes Erzählungen über das Leben im Versteck und die Hitlers Tiraden im Kontext des Gedenktages noch eine zusätzliche Brisanz erhielten. „Hier der Hass und offener Rassismus – dort die Hoffnung an die baldige Rettung, die trotz Verfolgung und dem Leben in engem Versteck durch die junge Anne Frank ihrem Tagebuch anvertraut wurde. Marianne Blum ergänzt das Programm mit ihrer klaren Stimme, mit der sie von leisesten Passagen bis zum überpräsenten Gesang teils ohne Lautsprecherunterstützung brillierte“ heißt es z.B. in einem Nachbericht des Vereins „Demokratie leben Birkenfeld“
Ermöglicht wurden diese Doppelveranstaltung durch die Stadt Idar-Oberstein in Kooperation mit dem Verein Schalom unterstützt von „Demokratie leben Birkenfeld“, Regionalpartnern des Bundesförderprogramms „Demokratie leben“.
In einer Zeit, in der in der Politik wieder Worte fallen, die Adolf Hitler in seinem Kampf benutzt hat und gleichzeitig kaum noch Zeitzeugen für die Erinnerungskultur zur Verfügung stehen, sind solche Veranstaltungen sehr wichtig. Ein Mitglied des Vereins Schalom sagte in der Diskussion: „Diese Veranstaltung ist Gold wert“.
Ein Schüler, der die Veranstaltung am Vormittag besucht hatte, war so beeindruckt, dass er am Abend mit seiner Familie wiederkam. Für uns ist auch das eine Bestätigung, dass „Annes Kampf“ wirkt und unsere Arbeit wichtig ist.
Den Organisatoren kann man nur danken, dass sie diese schwere Kost den Menschen in ihrem Ort zumuten, weil sie Ihnen Erkenntnis zutrauen. Im besten Fall kann man damit die Menschen (wieder) ins Gespräch miteinander bringen und dann hat man hin zu einem tatsächlichen „Nie wieder“ wirklich einen Schritt getan.
Wir spielen das Stück gegen Rassismus und Antisemitismus seit 2016 im ganzen Land.
Ein gelungener Abend im Stalburg Theater in Frankfurt am Main.
Marianne Blum und Kollegin Anna Maria Haas des Duos „Jetzaba“ rücken den Themen hinter den vorweihnachtlichen Genüssen und Motiven mächtig auf die Pelle. Mit humorvollen Szenen aus einer Wirklichkeit, die wir alle kennen, werden wir Zuschauer an die Frage herangeführt: Was ist eigentlich Weihnachten für mich?
In scheinbar friedfertiger traditionsbewusster Motivation gibt es in jeder Familie jemanden, der die „Care-Aufgaben“, wie putzen, schmücken, kochen, backen zum Feste hin organisiert und lebendig werden lässt. Aber wozu eigentlich und was machen die anderen währenddessen?
Im Stück können wir erleben, wie eine leidenschaftlich „Weihnachtsvorfreude“ praktizierende Frau zu einer wütend sich befreienden Streitaxt-Amazone wird. Das Stück zeigt auf fantastisch feinfühlige und humorvolle Art und Weise unterschiedlichen Rollen im Weihnachtsverlauf. Begleitet wird die Verwandlung mit kreativen Ideen. So laden live gebackene Plätzchen im Oktopus- und Spinnen-Design zur „psychologischen Kriegsführung“ und musikalische Weihnachtsklassiker in Neu-Auflage urkomisch performt, unseren geistigen Vorstellungsrahmen zu neuen Sichtweisen ein.
Das Beste on Top: Die beiden Kabarettistinnen nehmen uns dabei mit von lokaler auf globale Ebene, von dem eigenen kleinen Familienkreis zur großen Politik. Was uns trotzdem oder gerade deswegen dazu bringt, nicht nur über „die da oben“, sondern gerade auch über uns selbst lachen zu können. Etwa wenn die Assoziationskette von „Kubicki duscht auch so lange er will“, „Und der ist ein Leuchtturm in der stürmischen See unserer derzeitigen Katastrophen?“, „Mit dem roten Gesicht?!“, „Das ist Chardonnay und eine spätpubertäre Trotzphase“, „Ich seh mal nach, ob das Kind schläft“ bis „Bring mit auch ein Glas mit“ gesponnen wird oder Marianne bereits „am Unterton“ merkt, dass ihr phänomenaler selbstschneiender Weihnachtsbaum nicht gut bei Anna Maria ankommt, woraufhin die Damen sich gegenseitig zu einem zum Brüllen komisches Blöckflöten-Duell herausfordern. High Noon schlägt es auch, wenn die beiden darüber nachdenken, ob sie sich nicht lieber in „Amigas“ umbenennen und Schlager singen sollen, um ihre Konten aufzufüllen, was Marianne nicht nur trocken kommentiert mit „Du kannst gar nicht auf unsere Konten schauen, weil du die Online Daten zum Online Banking verlegt hast und analog keiner mehr was mit dem Kunden zu tun haben will“, sondern auch mit einer Bontempi-Version von „Last Christmas „zurückschießt“, die so unfassbar komisch ist, dass sie einen vor dem echten Weihnachts-Kitsch imprägniert. „Wenn Sie jetzt hier raus gehen und unfreiwillig mit Last Christmas beschallt werden, dann werden Sie an meine Version denken und leise grinsen“, behauptet Marianne und sie hat recht.
Das gutgelaunte instrumentale Multitalent Anna-Maria Haas und die von zart bis raumerfüllende kunstfertige Stimme von Marianne Blum überzeugen mit authentischen Geschichten, abgestimmten Liedern und einer zum Mitmachen einladenden Programmgestaltung aus dem vorweihnachtlichen Familienkreislauf wie z.B. dem „Schreckliche-Geschenke-Weitwerfen“. „Die Dinge müssen in Umlauf kommen“. Viele weitere kreative Ideen, wie man selbst das „Fest der Liebe“ überstehen kann ohne Schaden zu nehmen, gab es obendrein.
Endlich wieder – LIVE KABARETT Beste Unterhaltung mit Charakter Mit Dank und 100% er Weiterempfehlung Anna Groß
Marianne Blumverstand es am Donnerstag hervorragend die niedergeschriebenen Gedanken des jungen Mädchens, das sich in der Zeit zwischen seinem 13. und 15. Lebensjahr zusammen mit seiner Familie in einem Versteck in Amsterdam verbergen musste, so lebendig vorzutragen, dass man die kleine Anne regelrecht vor sich sehen konnte.
Diesen Ausführungen setzte Thomas Linke erschreckend authentisch die oft unerträglichen Hasstiraden von Adolf Hitler aus „Mein Kampf“ entgegen. Oftmals fiel es den Zuhörern schwer, den gewaltverherrlichenden und hasserfüllten Ausführungen zu folgen.
„Sichtlich mitgenommen waren die Zuhörerinnen und Zuhörer bei beiden Aufführen. Schon in der Pause sprach und diskutierte man auf den Gängen und vor der Halle lebhaft über das bis dahin Gesehene.
So wurde sowohl am Morgen von den Schülern als auch am Abend dankbar das Angebot angenommen, nach dem Stück noch mit den beiden Darstellern zu diskutieren. So konnte das Gesehene und Gehörte nochmals erörtert und besprochen werden. Keiner der Zuhörer verließ die Veranstaltung früher, es war erkennbar das alle sichtbar mitgenommen oder beeindruckt waren…
So wurden die beiden Aufführungen nicht nur zu einem aufregenden Geschichtsunterricht sondern auch zu einem leidenschaftlichen Plädoyer gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit von erschreckender Aktualität.“
Theater-Kabarett und Musik und live gebackenen Waffeln mit dem Damen-Duo JETZABA
Fotos: Fuks
Eine Kritik von Doris Sondermann
Ausgerechnet am Freitag, den 13. August 2021 wurde mein lang gewachsener Hunger nach „richtig, echter“ Kultur zum ersten Mal wieder gestillt – von echten Musikerinnen im echten, prachtvollen Theatersaal in Putbus auf Rügen.
„Die Waffeln der Frau“ hieß das Kabarett-Programm. Es wurde ebenso wie die 8 Songs, mit denen das Publikum beglückt wurde, von der Berliner Sängerin und Kabarettistin Marianne Blum geschrieben und feierte zusammen mit ihrer kongenialen Pianistin Anna Maria Haas seine Wiederaufnahmepremiere auf der Insel. In der ersten Fassung noch mit der ukrainischen Kampfpianistin Marina Gajda besetzt, sorgte das Stück bereits seit seiner Uraufführung 2016 für ausverkaufte Theater nicht nur auf Rügen. Aktualisiert und auf die Rheinland-Pfälzische Konzertpianistin Anna Maria Haas zugeschnitten, zeigt das Stück jetzt ganz neue sehenswerte Facetten.
Wie schon bei der Urfassung führte auch jetzt bei der Neufassung Peter Gestwa, der Intendant des Theater Putbus, Regie bei den „Waffeln“, was erklärt, warum das Stück auf Rügen seine Premiere feierte, wobei dieses zauberhafte, historische Haus einen wunderbaren Rahmen für diese launig-launischen Partnerinnenschaft bot, an der uns das Damen-Duo teilhaben ließ.
Marianne Blum ist bekannt für ihr Temperament, ihr sängerisches Können und ihre Bühnenpräsenz, Wortwitz in den Dialogen und humorvollem Ernst in den Texten ihrer Songs. Sie riss ihr Publikum wieder einmal mitten hinein in das uralte und doch immer aktuelle Thema der Rolle als Frau, mit oder ohne Mann an ihrer Seite; in Solidarität oder Konkurrenz zu den Geschlechtsgenossinnen. Diesen Part übernahm Anna Maria Haas – brillant am Bühnenklavier und gewitzt im Kontern in den Dialogen – eine nicht immer dankbare Rolle. Ein Motto des Abends kam im Song: „Wir sind nicht besser als ihr – leider“ in der Spannung, in die die Blum uns zwingt, zum Klingen. „Nein! Doch!“ Eine Hymne an die Frauen, auch dann, wenn sie hin und wieder Mist bauen.
Wie gut tut es, nach der langen „Fastenzeit“ gemeinsam mit den Künstlerinnen und dem Publikum im Saal zu lachen, zu staunen, über das eigene Leben zu sinnieren und am Ende sogar mit frisch gebackenen Waffeln aromatisch und speisend verwöhnt zu werden. Da kann der Weltuntergang gerne noch warten.
Marianne Blum und Stefan Heckmann Foto: SAM Entertainment
Die Wilhelmshavener Zeitung schreibt am 09.09.2020:
Kampf wühlt auf und bewegt.
Von Annette Muschalik
Wilhelmshaven. Anne Frank und Adolf Hitler haben sich nie getroffen, ihre Gedanken nie ausgetauscht, die 75 Jahre nach ihrem Tod bei der Lesung „Annes Kampf“ wie David gegen Goliath aufeinander treffen. Es ist genau dieser Kontrast, den die Kabarettistin und Sängerin Marianne Blum und der Schauspieler und Autor Stefan Heckmann bewusst machen wollen und für den es nichts anderes braucht als die Gegenüberstellung der Worte, die Anne Frank in ihrem Tagebuch und Adolf Hitler in „Mein Kampf“ hinterlassen haben.
Auf der einen Seite die reflektierte, hoffnungsvolle und zum Teil sogar heitere Auseinandersetzung des jungen Mädchens mit dem eigenen Schicksal und dem der vielen Opfer des Nationalsozialismus‘ und auf der anderen Seite die Tod bringende, aus Frustration und Hass zusammen gebastelte Rassentheorie eines Mannes, die in Wortwahl und Gedankengut erschreckend real ist.
Und so lassen Heckmann und Blum es ihre Protagonisten gleich zu Beginn deutlich aussprechen: „Alles, was ich geschrieben habe, ist noch aktuell.“ Woraufhin „Anne“ erwidert: „Alles, was ich geschrieben habe, ist noch aktuell.“
Fast schmerzhaft dingen die Worte in den folgenden eineinhalb Stunden zum Publikum durch – Marianne Blum und Stefan Heckmann lassen ihre Protagonisten auch stimmlich präsent werden. Zart, mal fröhlich, mal nachdenklich auf der einen Seite, unerbittlich, hart und schneidend die andere Seite.
So finden in Annes Tagebuch die ersten zarten Gefühle zu einem Jungen behutsam Ausdruck und demgegenüber Hitlers Sätze über „schwarzhaarige Judenjungen“, die „weiße Mädchen schänden“ messerscharf in die Ohren des Publikums. Und wo Hitler Juden als „Egoisten, Parasiten und Schmarotzer“ beschimpft, lässt Anne einen beschämt zurück, wenn sie darüber reflektiert, ob es egoistisch sei, über ein Leben nach dem Krieg zu sprechen, wo doch so viele schon ermordet wurden und dass doch alle, Juden und Christen, so sehr auf der Kriegsende warten. Was bewegt und aufwühlt, dringt mit dem kraftvollen Gesang von Marianne Blum noch ein bisschen tiefer ins Herz.
Mit jiddischen Liedern, die in Ghettos und Konzentrationslagern entstanden sind, sowie mit Liedern jüdischer Komponisten, die Zarah Leander zu Welterfolgen machte, unterbricht Blum die Lesung und nimmt dem Publikum die Hemmung zu klatschen.
Der tragische Tod von Anne Frank, die ebenso wie ihre Schwester kurz vor der Befreiung des KZ Bergen-Belsen dort gestorben ist, ist nicht das Ende ihrer Geschichte und auch nicht das Ende der Lesung. Vielmehr hat das Tagebuch, das ihr Vater als einziger Überlebender der Familie nach seiner Rückkehr veröffentlicht hat, sie und ihre Botschaft unsterblich gemacht. Und im Pumpwerk sind es ihre Worte, die nachklingen und Mut machen: „Ich will fortleben. (…) einmal werden wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein!“
Carlos Corona und Marianne Blum im Theater Putbus. Foto: SAM Entertainment
Theater-Kabarett und Musik mit kleinsten Mitteln und größter Wirkung – und damit umweltbewusst durch und durch
Eine Kritik von Anna Maria Haas
Vor ein paar Monaten konnte ich noch nicht wissen, dass sein Name heute in aller Munde und er weltberühmt ist. so stellt die Kabarettistin und Sängerin Marianne Blum Carlos Corona vor und führt damit nicht nur ihren Duo-Partner als Figur ein, sondern macht auch gleich klar, dass es in diesem Programm um Fakten geht. Schließlich heißt der mexikanische Gitarrist, mit Wohnsitz in Berlin, tatsächlich so. Marianne Blum, die über 20 Jahre Bühnenerfahrung hat und auch im Theater Putbus schon 2016 mit den „Waffeln der Frau“ für Furore sorgte, hat angesichts dieser Faktenlage gleich ein ganzes Programm um ihren Kompagnon geschrieben. Er ist das „Alter Ego“ der Pandemie, er legt die Schwachstellen und Abgründe offen, in die der Virus uns als Gesellschaft stürzt. Er weiß aber auch, wo Hoffnung und Heilung zu suchen und zu finden wäre. Corona bringt gnadenlos alles ans Licht: den mühsam verdeckten oder absichtsvoll vergessenen, inzwischen aber in Teilen der Bevölkerung wieder heiß hervorbrechende Rassismus ebenso wie die rasant wachsende Schere zwischen Arm und Reich und die absurden Prioritäten unseres Wirtschaftssystems, das bedenkenlos und grenzenlos nicht nur Natur und Menschen ausbeutet, sondern auch sich selbst. Dabei sollte uns inzwischen allen klar sein: Grenzenloses Wachstum auf einen endlichen Planeten ist eine Illusion und „systemrelevant“ sind eben keine Börsenspekulanten und Konzernchefs, sondern jede einzelne Intensivkrankenschwester und jede*r, der unseren Müll abholt.
„Haben Sie Spaß an Ihrer Arbeit?“, die Fragen werden immer direkter und konkreter, bis wir an dem Punkt sind: „Halten Sie Ihre Arbeit für sinnvoll?“ und „Würden Sie morgen noch zur Arbeit gehen, wenn Ihnen ein bedingungsloses Grundeinkommen zugesichert würde?“
Mutig werden heiß diskutierte Themen wie die prekäre Situation der Künstler in der Corona-Krise oder der Zustand der Erde angesichts der auch in Deutschland immer deutlicher spürbaren Klimakatastrophe angesprochen. Aber auch brandaktuelle Tagesmeldungen wie die gerade einmal 3 Tage zurückliegende Demonstration von 38.000 Impfgegnern, Verschwörungsgläubigen, Esoterikern und Rechtsradikalen in Berlin werden aufgegriffen und in schlüssige und trotz der Schwere des Sujets überraschend witzige Dialoge gegossen. Dabei verdeutlicht Marianne Blum oft die Relevanz nationaler und internationaler Geschehnisse mit Hilfe regionaler Besonderheiten oder historischer Anekdoten. Dass sie sich bei allen angesprochenen Themen bestens informiert zeigt und nicht bei Oberflächlichkeiten hängenbleibt, ist ein weiterer Pluspunkt dieses insgesamt erstaunlich tiefgreifenden und dabei trotzdem höchst unterhaltsamen Abends.
Das medizinische Thema bleibt den ganzen Abend über im Raum bis zur erschütternden Diagnose für Mutter Erde. Dr. Corona hakt nach: „Wann hat das angefangen?“ und die Blum berichtet: „1870. Da hat das begonnen mit dem Saufen und Rauchen.“ „Welche Substanzen?“ „Fossile. Auf Lunge. Erst nur ein bisschen, dann, seit Mitte des letzten Jahrhunderts exponentiell. Jetzt ist sie auf 413 ppm!“ Doch die beiden wollen die Patientin nicht aufgeben. Trotzig stellt sich die Kabarett-Junta auf die Bühne, fordert mutig und laut eine kollektive Rettungsaktion und es gelingt ihnen, dass man als Zuschauer aufspringen und sofort aktiv werden will.
Wahrscheinlich liegt das daran, dass man als Zuschauer mitgenommen wird durch alle Höhen und Tiefen der persönlichen Bewusstwerdung und Meinungsbildung. Die Blum lässt keine*n aus dem Visier, nimmt aber auch jede*n liebevoll an die Hand. Mit Verständnis für alle menschlichen Fluchtversuche erlaubt sie niemandem, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Sie drängt zum Aufbruch, weil er unvermeidbar ist.
So wie das Duo inhaltlich die volle Breitseite der drängendsten Probleme unserer Zeit trifft, überzeugt es auch auf künstlerischer Ebene. Wenn Carlos Corona zur Gitarre greift, fasziniert er nicht nur mit ausgefeilter Technik, die ihm erlaubt, alle Stilrichtungen zu bedienen und seinem Instrument ungeahnte Klangfarben zu entlocken, sondern auch mit ausdrucksstarken, abwechslungsreichen Arrangements der Songs, von denen nicht wenige beeindruckende Eigenkompositionen des Gespanns Blum & Corona sind. Darunter so schmissige Gassenhauer wie der „Gutmensch“, der euphorische Aufbruchsstimmung verbreitende Titelsong „Geheilt Durch“, das absurd-witzige aber auch herzerweichende „Depression“ (inklusive einer Trübsal-Tröte), der versöhnlich-verspielte Song „Der Weltuntergang kann warten“ oder das „Unschuldige Lied“, welches den Abend mit einer musikalischen Achterbahnfahrt zwischen Brecht-Lied, Latin-Rap und Helene-Fischer Schlager beschloss. Alles ausdrucksstark und mitreißend interpretiert von der Blum, die scheinbar spielend von Bluesröhre zu fülliger Opernstimme und zartem Popgesang wechselt. Über mehr als 80 Minuten zeigt sie einen technisch versierten Umgang mit ihrem Instrument, der Stimme, und überzeugt lückenlos. Im Ergebnis die stimmungsvollste und klangintensivste Synthese, die zwei so gegensätzliche charakterstarke Klangkörper erreichen können.
Marianne Blum und die Rettung der Welt. Foto: SAM Entertainment
Überhaupt haben wir es hier mit zwei Künstlerpersönlichkeiten zu tun, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Marianne Blum singt, tanzt, tobt, lockt das Publikum und kokettiert mit ihm, analysiert, kritisiert und motiviert. Kaum auf der Bühne weiß sie geschickt das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Immer wieder nutzt sie kleine Möglichkeiten der Interaktion. So übt sie so lange mit den Zuschauern, bis der neue Ohrwurm „Ich bin ein Gutmensch“ sitzt. So verabreicht sie eine flächendeckende Publikumsimpfung mit Selbstheilungskräfte stimulierender Wirkung. Carlos Corona ist dagegen der Fels in der Brandung. Gelassen, bisweilen herzerfrischend naiv, hinterfragt er Marianne Blums Behauptungen und die von ihr vorgetragenen Einsichten. Dadurch setzt er, sowohl inhaltlich als auch vom Sprachduktus und vom Typ her, einen perfekten Kontrapunkt zur quirligen Blum. Insgesamt kann man sagen: Die Zuschauer im ausverkauften Theater Putbus erlebten zwei Künstler, die kein musikalisches Genre, keine Facette ihrer Instrumente, keine Bühnenecke und keine menschliche (Un)Art unbespielt ließen. Einfachste theatralische Mittel (ein paar bunte Kisten, ein Sektkühler, Schokoladentaler und eine aufblasbare Weltkugel, Konfettikanonen und Handfeger) genügten den beiden, um überzeugend das große Bild unserer Gesellschaft vor dem Publikum entstehen zu lassen. Das war Kabarett vom Feinsten, das menschlich humorvoll, politisch scharfzüngig, schlagfertig, künstlerisch wertvoll und dabei ungemein unterhaltsam war!
Nancy Fischer begrüßte Marianne Blum und Guido Rohm im radioeins-Studio und sprach mit den beiden über die Berlin-Premiere von „Annes Kampf: Anne Frank vs. Adolf Hitler“.
„Niemand experimentiert derzeit in Deutschland so kreativ mit dem Genre Kriminalliteratur wie der 1970 geborene Guido Rohm.“ Financial Times Deutschland
„Guido Rohm, der offensichtlich von den Besten gelernt hat.“ Marcus Stiglegger, IkonenMagazin
„Ich war von „Fleischwölfe!“ von Anfang an beeindruckt. Nicht nur wegen der
literarischen Konstruktion, der kunstvoll archaischen Sprache, sondern auch vom Mut zur Drastik, wie wir wissen, ist der letzte Impuls der Aufklärung Kettensägen. Lebende Tote, Fleisch! Außerdem: Selbstreferenz. Die Anwesenheit des Autors in seinem Werk. Das muss man können und Guido Rohm kann es. Wir haben es mit einem Selbstbefreiungsversuch der Literatur in einer Situation der Erstarrung zu tun.“ Georg Seeßler im
Vorwort zu „Fleischwölfe“
„Rohm gibt einem die Hoffnung, dass Krimi eine Zukunft hat.“
Dieter Paul Rudolph, Krimi-Couch