Mit dem neuen Jahr haben wir auch einen Neuzugang in der Agentur: Thomas Linke. Der Schauspieler hat schon in zahlreichen TV-Produktionen mitgewirkt, hatte Engagements an vielen Theatern der ganzen Republik, ist derzeit in verschiedenen Stücken am Berliner Kriminaltheater zu erleben und tourt mit eigenen Lesungsprogrammen.
Unser nach wie vor erschreckend aktuelles Bühnenprogramm gegen Rassismus und Antisemitismus „Annes Kampf“ gewinnt mit seiner Darstellung des „Führers“ eine neue Dimension.
Zusammen mit Marianne Blum, die nach wie vor Anne Frank verkörpert, machen die beiden Darsteller den Aufprall der beiden Texte „Mein Kampf“ und „Anne Franks Tagebuch“ in ANNES KAMPF zu einem großen Theatererlebnis.
Wir verabschieden dieses für uns alle schwierige Jahr 2021 mit der Kabarett Junta.
Marianne Blum und Carlos Corona haben nach der letzten Show dieses Jahres im wunderbaren Theater Putbus noch mal eben schnell beim Aufräumen den Beweis eingespielt, dass „Oh Tannenbaum“ schon immer als Bossa Nova gedacht war.
Wir waren ausverkauft! Vor voll besetztem Theater spielte das Duo JETZABA! das Stück „Die Waffeln der Frau“ in der renommierten Distel in der Friedrichstrasse 101 in Berlin! Das ist in Corona-Zeiten wahrlich keine Selbstverständlichkeit.
Klar, die Aussicht, die beginnende Adventszeit mit Waffen zu beginnen, war wohl für Viele verlockend, aber sicher war es auch der Hunger nach Unterhaltung und Theaterzauber in einer Zeit, in der möglicherweise wieder ein Lockdown droht, der die Leute Schlange am Eingang stehen ließ, um Anna Maria Haas und Marianne Blum zu sehen.
Belohnt wurden die Zuschauer nicht nur mit frisch und live auf der Bühne gebackenen Waffeln, sondern auch mit herrlich komischen Szenen, bissigen Dialogen und wunderbarer Musik. Von Bossa Nova über Kabarett-Chanson, Bond-artigen Hymnen, Tango, afrikanischem Gute Laune Pop bis Rap mit wildem Jungle-Rhythmus war für jede:n was dabei.
Dass die Pianistin Anna Maria Haas dabei immer wieder neben ihrem komischen Talent auch ihre absolut ernstzunehmenden pianistischen Fähigkeiten aufblitzen ließ, überraschte so manchen Kabarettgänger ebenso positiv wie die unglaubliche Bandbreite der technisch erstklassigen Sängerin Marianne Blum.
Die Blum glänzte spielend in Koloraturen, ließ ab und zu eine Rockröhre aufblitzen und zeigte die Länge ihres Atems nicht nur in elegischen Teilen, sondern auch daran, dass sie sogar noch in der Lage war, lange Töne zu singen, nachdem sie eine Waffel abgebissen hatte. Dass sie dabei im Omakostüm wie von der Tarantel gestochen über die Bühne hopste, brachte die Leute geradezu zum Platzen vor Lachen. So konnten alle vergessen, warum sie wieder mit Masken in einem geschlossenen Raum sitzen müssen und wie ernst die Lage derzeit außerhalb des magischen Theaterraums ist. Derart beglückt standen anschließend noch Viele an, um eine nebenbei bemerkt köstliche Waffel dieser beiden Frauen abzubekommen und mit den Künstlerinnen zu sprechen.
Kultur tut gut!
Nächste Gelegenheit, „Die Waffeln der Frau“ live zu erleben:
Der 9.11. ist ein Tag mit schwerer Geschichtslast. 2021 jährt sich an diesem Datum die Reichspogromnacht zum 73ten Mal. Die Stadt Aurich wollte an diese Untat der Nazis erinnern, bei der in vielen deutschen Städten jüdische Geschäfte, Einrichtungen und Synagogen geschändet und zerstört und Menschen angegriffen, verletzt, beleidigt, eingeschüchtert und drangsaliert wurden, nur weil sie Juden waren. Daran erinnert das Künstler-Duo Blum & Heckmann.
Sie spielten „Annes Kampf“ in der Stadthalle, die angesichts der wieder zunehmend bedrohlichen Corona-Lage erstaunlich gut gefüllt war. Rege wurde anschließend über das Gesehene diskutiert. Ein Herr regte z.B. an, „Annes Kampf“ auch in niederländischen Partnerstädten zu spielen. „Das sollten auf jeden Fall auch Schüler in Aurich sehen!“, meinte eine Lehrerin im Publikum.
Zwei Tage später spielten die Künstler DAS Stück gegen Antisemitismus und Rassismus tatsächlich vor Schülern, allerdings nicht in Ostfriesland, sondern mitten in Sachsen, genauer gesagt in Zwickau, in dem wunderbaren Rundbau des Gasometers mitten in der Stadt.
Auf dem Blog des „Gasometer“ heißt es dazu:
Die Vormittagsveranstaltung, die von über 120 Schüler*innen aus drei Schulen besucht wurde sowie die Abendveranstaltung im Rahmen der Novembertage, die von über 110 Besucher*innen, davon die große Mehrzahl Studierende, besucht wurde, stellte gut die Diskrepanz zwischen den beiden Texten dar. Auf der einen Seite das Tagebuch eines dreizehnjährigen Mädchens, gelesen von Marianne Blum, welches ihre Gefühle und die stetige Angst, die es bei beiden Familien gab, entdeckt zu werden, in sehr guter Art und Weise auszudrücken vermag. Auf der anderen ein schlecht geschriebenes und von Hass und Lügen strotzendes Buch, von einem nach Geltung strebenden Diktatoren, gelesen von Stefan Heckmann. Die Protagonist*innen, die nochmals betonten, in keinster Weise darauf abzuzielen die beiden Bücher miteinander zu vergleichen, schafften es, genau dies in einem unterhaltsamen, aber auch bedrückenden Stil dem Publikum näher zu bringen. Nach der Veranstaltung gab es noch genügend Raum für Fragen, Anmerkungen und auch Kritik.
Wir bedanken uns bei Marianne Blum und Stefan Heckmann für den spannenden und kurzweiligen Abend und natürlich bei allen Gästen! Ein Abend, der vom gesprochenen und gelesenen Wort lebte!“
Wir können dazu nur ergänzen, dass wir selbst überrascht und auch schockiert waren von dem, was uns manche Schüler und später auch Zuschauer der Abendvorstellung nach den Vorstellungen berichteten. Hass, Ausgrenzung, unverhohlener Rassismus und eine große Zustimmung zu politischer Propaganda, die genau das befördert, ist ein massives Problem in der Region.
Wir hoffen immer wieder, mit Annes Kampf beitragen zu können, deutlich zu machen, wie schrecklich rassistische Ideen sich auswirken wie sehr wir uns dem entgegenstellen müssen, so früh wie möglich!
Theater-Kabarett und Musik und live gebackenen Waffeln mit dem Damen-Duo JETZABA
Fotos: Fuks
Eine Kritik von Doris Sondermann
Ausgerechnet am Freitag, den 13. August 2021 wurde mein lang gewachsener Hunger nach „richtig, echter“ Kultur zum ersten Mal wieder gestillt – von echten Musikerinnen im echten, prachtvollen Theatersaal in Putbus auf Rügen.
„Die Waffeln der Frau“ hieß das Kabarett-Programm. Es wurde ebenso wie die 8 Songs, mit denen das Publikum beglückt wurde, von der Berliner Sängerin und Kabarettistin Marianne Blum geschrieben und feierte zusammen mit ihrer kongenialen Pianistin Anna Maria Haas seine Wiederaufnahmepremiere auf der Insel. In der ersten Fassung noch mit der ukrainischen Kampfpianistin Marina Gajda besetzt, sorgte das Stück bereits seit seiner Uraufführung 2016 für ausverkaufte Theater nicht nur auf Rügen. Aktualisiert und auf die Rheinland-Pfälzische Konzertpianistin Anna Maria Haas zugeschnitten, zeigt das Stück jetzt ganz neue sehenswerte Facetten.
Wie schon bei der Urfassung führte auch jetzt bei der Neufassung Peter Gestwa, der Intendant des Theater Putbus, Regie bei den „Waffeln“, was erklärt, warum das Stück auf Rügen seine Premiere feierte, wobei dieses zauberhafte, historische Haus einen wunderbaren Rahmen für diese launig-launischen Partnerinnenschaft bot, an der uns das Damen-Duo teilhaben ließ.
Marianne Blum ist bekannt für ihr Temperament, ihr sängerisches Können und ihre Bühnenpräsenz, Wortwitz in den Dialogen und humorvollem Ernst in den Texten ihrer Songs. Sie riss ihr Publikum wieder einmal mitten hinein in das uralte und doch immer aktuelle Thema der Rolle als Frau, mit oder ohne Mann an ihrer Seite; in Solidarität oder Konkurrenz zu den Geschlechtsgenossinnen. Diesen Part übernahm Anna Maria Haas – brillant am Bühnenklavier und gewitzt im Kontern in den Dialogen – eine nicht immer dankbare Rolle. Ein Motto des Abends kam im Song: „Wir sind nicht besser als ihr – leider“ in der Spannung, in die die Blum uns zwingt, zum Klingen. „Nein! Doch!“ Eine Hymne an die Frauen, auch dann, wenn sie hin und wieder Mist bauen.
Wie gut tut es, nach der langen „Fastenzeit“ gemeinsam mit den Künstlerinnen und dem Publikum im Saal zu lachen, zu staunen, über das eigene Leben zu sinnieren und am Ende sogar mit frisch gebackenen Waffeln aromatisch und speisend verwöhnt zu werden. Da kann der Weltuntergang gerne noch warten.
Marianne Blum und Stefan Heckmann Foto: SAM Entertainment
Die Wilhelmshavener Zeitung schreibt am 09.09.2020:
Kampf wühlt auf und bewegt.
Von Annette Muschalik
Wilhelmshaven. Anne Frank und Adolf Hitler haben sich nie getroffen, ihre Gedanken nie ausgetauscht, die 75 Jahre nach ihrem Tod bei der Lesung „Annes Kampf“ wie David gegen Goliath aufeinander treffen. Es ist genau dieser Kontrast, den die Kabarettistin und Sängerin Marianne Blum und der Schauspieler und Autor Stefan Heckmann bewusst machen wollen und für den es nichts anderes braucht als die Gegenüberstellung der Worte, die Anne Frank in ihrem Tagebuch und Adolf Hitler in „Mein Kampf“ hinterlassen haben.
Auf der einen Seite die reflektierte, hoffnungsvolle und zum Teil sogar heitere Auseinandersetzung des jungen Mädchens mit dem eigenen Schicksal und dem der vielen Opfer des Nationalsozialismus‘ und auf der anderen Seite die Tod bringende, aus Frustration und Hass zusammen gebastelte Rassentheorie eines Mannes, die in Wortwahl und Gedankengut erschreckend real ist.
Und so lassen Heckmann und Blum es ihre Protagonisten gleich zu Beginn deutlich aussprechen: „Alles, was ich geschrieben habe, ist noch aktuell.“ Woraufhin „Anne“ erwidert: „Alles, was ich geschrieben habe, ist noch aktuell.“
Fast schmerzhaft dingen die Worte in den folgenden eineinhalb Stunden zum Publikum durch – Marianne Blum und Stefan Heckmann lassen ihre Protagonisten auch stimmlich präsent werden. Zart, mal fröhlich, mal nachdenklich auf der einen Seite, unerbittlich, hart und schneidend die andere Seite.
So finden in Annes Tagebuch die ersten zarten Gefühle zu einem Jungen behutsam Ausdruck und demgegenüber Hitlers Sätze über „schwarzhaarige Judenjungen“, die „weiße Mädchen schänden“ messerscharf in die Ohren des Publikums. Und wo Hitler Juden als „Egoisten, Parasiten und Schmarotzer“ beschimpft, lässt Anne einen beschämt zurück, wenn sie darüber reflektiert, ob es egoistisch sei, über ein Leben nach dem Krieg zu sprechen, wo doch so viele schon ermordet wurden und dass doch alle, Juden und Christen, so sehr auf der Kriegsende warten. Was bewegt und aufwühlt, dringt mit dem kraftvollen Gesang von Marianne Blum noch ein bisschen tiefer ins Herz.
Mit jiddischen Liedern, die in Ghettos und Konzentrationslagern entstanden sind, sowie mit Liedern jüdischer Komponisten, die Zarah Leander zu Welterfolgen machte, unterbricht Blum die Lesung und nimmt dem Publikum die Hemmung zu klatschen.
Der tragische Tod von Anne Frank, die ebenso wie ihre Schwester kurz vor der Befreiung des KZ Bergen-Belsen dort gestorben ist, ist nicht das Ende ihrer Geschichte und auch nicht das Ende der Lesung. Vielmehr hat das Tagebuch, das ihr Vater als einziger Überlebender der Familie nach seiner Rückkehr veröffentlicht hat, sie und ihre Botschaft unsterblich gemacht. Und im Pumpwerk sind es ihre Worte, die nachklingen und Mut machen: „Ich will fortleben. (…) einmal werden wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein!“
Carlos Corona und Marianne Blum im Theater Putbus. Foto: SAM Entertainment
Theater-Kabarett und Musik mit kleinsten Mitteln und größter Wirkung – und damit umweltbewusst durch und durch
Eine Kritik von Anna Maria Haas
Vor ein paar Monaten konnte ich noch nicht wissen, dass sein Name heute in aller Munde und er weltberühmt ist. so stellt die Kabarettistin und Sängerin Marianne Blum Carlos Corona vor und führt damit nicht nur ihren Duo-Partner als Figur ein, sondern macht auch gleich klar, dass es in diesem Programm um Fakten geht. Schließlich heißt der mexikanische Gitarrist, mit Wohnsitz in Berlin, tatsächlich so. Marianne Blum, die über 20 Jahre Bühnenerfahrung hat und auch im Theater Putbus schon 2016 mit den „Waffeln der Frau“ für Furore sorgte, hat angesichts dieser Faktenlage gleich ein ganzes Programm um ihren Kompagnon geschrieben. Er ist das „Alter Ego“ der Pandemie, er legt die Schwachstellen und Abgründe offen, in die der Virus uns als Gesellschaft stürzt. Er weiß aber auch, wo Hoffnung und Heilung zu suchen und zu finden wäre. Corona bringt gnadenlos alles ans Licht: den mühsam verdeckten oder absichtsvoll vergessenen, inzwischen aber in Teilen der Bevölkerung wieder heiß hervorbrechende Rassismus ebenso wie die rasant wachsende Schere zwischen Arm und Reich und die absurden Prioritäten unseres Wirtschaftssystems, das bedenkenlos und grenzenlos nicht nur Natur und Menschen ausbeutet, sondern auch sich selbst. Dabei sollte uns inzwischen allen klar sein: Grenzenloses Wachstum auf einen endlichen Planeten ist eine Illusion und „systemrelevant“ sind eben keine Börsenspekulanten und Konzernchefs, sondern jede einzelne Intensivkrankenschwester und jede*r, der unseren Müll abholt.
„Haben Sie Spaß an Ihrer Arbeit?“, die Fragen werden immer direkter und konkreter, bis wir an dem Punkt sind: „Halten Sie Ihre Arbeit für sinnvoll?“ und „Würden Sie morgen noch zur Arbeit gehen, wenn Ihnen ein bedingungsloses Grundeinkommen zugesichert würde?“
Mutig werden heiß diskutierte Themen wie die prekäre Situation der Künstler in der Corona-Krise oder der Zustand der Erde angesichts der auch in Deutschland immer deutlicher spürbaren Klimakatastrophe angesprochen. Aber auch brandaktuelle Tagesmeldungen wie die gerade einmal 3 Tage zurückliegende Demonstration von 38.000 Impfgegnern, Verschwörungsgläubigen, Esoterikern und Rechtsradikalen in Berlin werden aufgegriffen und in schlüssige und trotz der Schwere des Sujets überraschend witzige Dialoge gegossen. Dabei verdeutlicht Marianne Blum oft die Relevanz nationaler und internationaler Geschehnisse mit Hilfe regionaler Besonderheiten oder historischer Anekdoten. Dass sie sich bei allen angesprochenen Themen bestens informiert zeigt und nicht bei Oberflächlichkeiten hängenbleibt, ist ein weiterer Pluspunkt dieses insgesamt erstaunlich tiefgreifenden und dabei trotzdem höchst unterhaltsamen Abends.
Das medizinische Thema bleibt den ganzen Abend über im Raum bis zur erschütternden Diagnose für Mutter Erde. Dr. Corona hakt nach: „Wann hat das angefangen?“ und die Blum berichtet: „1870. Da hat das begonnen mit dem Saufen und Rauchen.“ „Welche Substanzen?“ „Fossile. Auf Lunge. Erst nur ein bisschen, dann, seit Mitte des letzten Jahrhunderts exponentiell. Jetzt ist sie auf 413 ppm!“ Doch die beiden wollen die Patientin nicht aufgeben. Trotzig stellt sich die Kabarett-Junta auf die Bühne, fordert mutig und laut eine kollektive Rettungsaktion und es gelingt ihnen, dass man als Zuschauer aufspringen und sofort aktiv werden will.
Wahrscheinlich liegt das daran, dass man als Zuschauer mitgenommen wird durch alle Höhen und Tiefen der persönlichen Bewusstwerdung und Meinungsbildung. Die Blum lässt keine*n aus dem Visier, nimmt aber auch jede*n liebevoll an die Hand. Mit Verständnis für alle menschlichen Fluchtversuche erlaubt sie niemandem, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Sie drängt zum Aufbruch, weil er unvermeidbar ist.
So wie das Duo inhaltlich die volle Breitseite der drängendsten Probleme unserer Zeit trifft, überzeugt es auch auf künstlerischer Ebene. Wenn Carlos Corona zur Gitarre greift, fasziniert er nicht nur mit ausgefeilter Technik, die ihm erlaubt, alle Stilrichtungen zu bedienen und seinem Instrument ungeahnte Klangfarben zu entlocken, sondern auch mit ausdrucksstarken, abwechslungsreichen Arrangements der Songs, von denen nicht wenige beeindruckende Eigenkompositionen des Gespanns Blum & Corona sind. Darunter so schmissige Gassenhauer wie der „Gutmensch“, der euphorische Aufbruchsstimmung verbreitende Titelsong „Geheilt Durch“, das absurd-witzige aber auch herzerweichende „Depression“ (inklusive einer Trübsal-Tröte), der versöhnlich-verspielte Song „Der Weltuntergang kann warten“ oder das „Unschuldige Lied“, welches den Abend mit einer musikalischen Achterbahnfahrt zwischen Brecht-Lied, Latin-Rap und Helene-Fischer Schlager beschloss. Alles ausdrucksstark und mitreißend interpretiert von der Blum, die scheinbar spielend von Bluesröhre zu fülliger Opernstimme und zartem Popgesang wechselt. Über mehr als 80 Minuten zeigt sie einen technisch versierten Umgang mit ihrem Instrument, der Stimme, und überzeugt lückenlos. Im Ergebnis die stimmungsvollste und klangintensivste Synthese, die zwei so gegensätzliche charakterstarke Klangkörper erreichen können.
Marianne Blum und die Rettung der Welt. Foto: SAM Entertainment
Überhaupt haben wir es hier mit zwei Künstlerpersönlichkeiten zu tun, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Marianne Blum singt, tanzt, tobt, lockt das Publikum und kokettiert mit ihm, analysiert, kritisiert und motiviert. Kaum auf der Bühne weiß sie geschickt das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Immer wieder nutzt sie kleine Möglichkeiten der Interaktion. So übt sie so lange mit den Zuschauern, bis der neue Ohrwurm „Ich bin ein Gutmensch“ sitzt. So verabreicht sie eine flächendeckende Publikumsimpfung mit Selbstheilungskräfte stimulierender Wirkung. Carlos Corona ist dagegen der Fels in der Brandung. Gelassen, bisweilen herzerfrischend naiv, hinterfragt er Marianne Blums Behauptungen und die von ihr vorgetragenen Einsichten. Dadurch setzt er, sowohl inhaltlich als auch vom Sprachduktus und vom Typ her, einen perfekten Kontrapunkt zur quirligen Blum. Insgesamt kann man sagen: Die Zuschauer im ausverkauften Theater Putbus erlebten zwei Künstler, die kein musikalisches Genre, keine Facette ihrer Instrumente, keine Bühnenecke und keine menschliche (Un)Art unbespielt ließen. Einfachste theatralische Mittel (ein paar bunte Kisten, ein Sektkühler, Schokoladentaler und eine aufblasbare Weltkugel, Konfettikanonen und Handfeger) genügten den beiden, um überzeugend das große Bild unserer Gesellschaft vor dem Publikum entstehen zu lassen. Das war Kabarett vom Feinsten, das menschlich humorvoll, politisch scharfzüngig, schlagfertig, künstlerisch wertvoll und dabei ungemein unterhaltsam war!
Deutschland, Europa, Amerika… – Rassismus und Antisemitismus nehmen wieder zu. Das Bühnenprogramm ANNES KAMPF Anne Frank vs. Adolf Hitler des Künstler-Duos BLUM & ROHM ist ein starkes Statement dagegen. In einer scharf geschnittenen Lesung lässt das Duo, bestehend aus dem Schriftsteller GUIDO ROHM und der Sängerin und Kabarettistin MARIANNE BLUM, Auszüge aus Hitlers „Mein Kampf“ auf Anne Franks Tagebuch prallen. Die Wirkung dieses Aufpralls ist enorm. Das fängt der aktuelle Dokumentarfilm des jungen Filmemachers David Gräber ein.
Er begleitet die Künstler zu so unterschiedlichen Aufführungsorten wie dem original erhaltenen Stummfilmkino Babylon in Berlin Mitte, wo das Stück seine Hauptstadtpremiere feierte, er filmt ANNES KAMPF in der verfallenen Schulaula eines ehemaligen Templiner Elitegymnasiums und im Festzelt der Bürgerinitiative Ostritz, die sich mit der Aufführung des Stücks gegen eines der größten rechtsextremen Festivals Europas positionieren, das „Schild- und Schwert-Festival (SS)“. Dabei ist es ihm nicht nur gelungen, faszinierende Bilder dieser höchst unterschiedlichen Orte einzufangen, sondern auch die Wirkung des Stückes auf seine Zuschauer. Darüber hinaus erfährt man, was die Künstler bewegt, sich mit diesem Stück zu exponieren, und was die Menschen denken, die sich als Veranstalter engagieren, um eine gesellschaftliche Entwicklung aufzuhalten oder sogar umzukehren, die in manchen Teilen des Landes schon so stark ist, dass Andere aufgeben. Der Filmemacher dazu: „Ich sah das Potenzial, einen Film zu machen, über Haltung, Kampf und Leidenschaft und die Frage: wie kann Kunst in die Gesellschaft hineinwirken? Und ist sie damit ein Teil des demokratischen Prozesses?“
Die Filmvorführung wird ergänzt von Liedern aus dem Bühnenprogramm, die MARIANNE BLUM live singt, begleitet von der Kino-Organistin Anna Vavilkina am Piano. Es wird außerdem Gelegenheit zum Gespräch mit Künstlern und Filmemacher geben.
In einer beeindruckend schaurigen Atmosphäre fand „Annes Kampf“ am 17.08.2019 in Templin stad. Das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wurde in dem morbide anmutendem Saal des verlassenen Jochamthalsches Gymnasium in Templin lebendig.
Wir bedanken uns beim Bunten Bündnis, das uns nach Templin geholt hat. Auch nach dieser Vorstellung entwickelte sich eine angeregte Diskussion. Das Publikum hat eindeutig Parallelen zur Gegenwart erkannt. „Annes Kampf“ entlarvt den populistischen Werkzeugkasten, mit dem heutzutage ein unseliges Framing betrieben wird.