Annes Kampf bewegt in Idar-Oberstein
Am Holocaust-Gedenktag hat unser Bühnenprogramm gegen Rassismus und Antisemitismus „ANNES KAMPF Anne Frank vs. Adolf Hitler“ erneut seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt. Am Vormittag erlebten mehrere Schulklassen von zwei Schulen mit insgesamt 150 Schülern an der Vormittagsvorstellung in der Messe Idar-Oberstein, wie die kruden, hasserfüllten Ideen Adolf Hitlers auf ihre Folgen trafen, die ein unschuldiger Teenager, Anne Frank, ausbaden musste. Über zwei Jahre musste sie und ihre Familie sich vor den Nazis verstecken und wurde schließlich doch ermordet, „und das alles nur, weil sie Juden sind“, wie Anne selbst in ihrem später berühmt gewordenen Tagebuch feststellt.
Am Abend spielten Marianne Blum und Thomas Linke das Stück am selben Ort in einer öffentlichen Vorstellung vor 250 Zuschauern. Im Anschluss stellten sich die Künstler der Diskussion, die es wahrlich in sich hatte. Es wurde von der Sprachlosigkeit in manchen Familien über die NS-Zeit berichtet, von Vätern, die bis an ihr Lebensende Anhänger der nationalsozialistischen Zeit blieben und jeder Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen waren, aber auch von Großvätern, die die Gräuel gesehen hatten und verändert aus dem Krieg zurückkamen und auch von solchen, die Opfer geworden waren. Was sie alle eint: Sprachlosigkeit. „Es wurde nicht darüber geredet“, berichtete ein Nachfahre eines Täters, von dem er bis heute nicht genau weiß, was er getan hat.
Man spürte, dass die Künstler durch ihre Darbietung bei etlichen Zuschauern Türen geöffnet haben, hinter denen bisher Unausgesprochenes verborgen gewesen war. Man spürte auch, wie gut es den Menschen tat, die sich auf diese Weise öffentlich mitteilten, Ihre Gedanken und auch ihre Last dadurch mit anderen zu teilen und so erträglicher zu machen. Man beginnt zu verstehen, welche Hypothek es ist, Kind in einer solchen Familie aufzuwachsen, aber auch wie wichtig es ist, diese Nachfahren mit dieser Hypothek nicht alleine zu lassen. Nach der ersten Wortmeldung eines Mannes, der seine Ergriffenheit in Worte fasste und dann seine Geschichte erzählte, folgten weitere und das einmal zugelassene Bedürfnis endlich zu sprechen wollte kaum enden.
Solche Gespräche, in denen man merkt, dass das Unausgesprochene artikuliert wird und die Erleichterung der Menschen, die diese Hürde nehmen, mit Händen zu greifen ist, finden nach diesem Stück immer wieder statt.
Dennoch war Idar-Oberstein etwas Besonders, sei es, weil so viele Zuschauer aus der Region gekommen waren und auch der Oberbürgermeister, Frank Frühauf, durch seine Anwesenheit unterstrich, dass man die Wichtigkeit des Themas, seine Aktualität und seine Relevanz für das heutige Leben verstanden hat, sei es durch die Tatsache, dass Annes Erzählungen über das Leben im Versteck und die Hitlers Tiraden im Kontext des Gedenktages noch eine zusätzliche Brisanz erhielten. „Hier der Hass und offener Rassismus – dort die Hoffnung an die baldige Rettung, die trotz Verfolgung und dem Leben in engem Versteck durch die junge Anne Frank ihrem Tagebuch anvertraut wurde. Marianne Blum ergänzt das Programm mit ihrer klaren Stimme, mit der sie von leisesten Passagen bis zum überpräsenten Gesang teils ohne Lautsprecherunterstützung brillierte“ heißt es z.B. in einem Nachbericht des Vereins „Demokratie leben Birkenfeld“
Ermöglicht wurden diese Doppelveranstaltung durch die Stadt Idar-Oberstein in Kooperation mit dem Verein Schalom unterstützt von „Demokratie leben Birkenfeld“, Regionalpartnern des Bundesförderprogramms „Demokratie leben“.
In einer Zeit, in der in der Politik wieder Worte fallen, die Adolf Hitler in seinem Kampf benutzt hat und gleichzeitig kaum noch Zeitzeugen für die Erinnerungskultur zur Verfügung stehen, sind solche Veranstaltungen sehr wichtig. Ein Mitglied des Vereins Schalom sagte in der Diskussion: „Diese Veranstaltung ist Gold wert“.
Ein Schüler, der die Veranstaltung am Vormittag besucht hatte, war so beeindruckt, dass er am Abend mit seiner Familie wiederkam. Für uns ist auch das eine Bestätigung, dass „Annes Kampf“ wirkt und unsere Arbeit wichtig ist.
Den Organisatoren kann man nur danken, dass sie diese schwere Kost den Menschen in ihrem Ort zumuten, weil sie Ihnen Erkenntnis zutrauen. Im besten Fall kann man damit die Menschen (wieder) ins Gespräch miteinander bringen und dann hat man hin zu einem tatsächlichen „Nie wieder“ wirklich einen Schritt getan.
Wir spielen das Stück gegen Rassismus und Antisemitismus seit 2016 im ganzen Land.
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